Autor: Dirk Liesch
Warum muss jede Wohnpartei eine eigene Bücher- und Mediensammlung haben, wenn sich das in Mehrfamilienhäusern auch teilen lässt?
Das ist das Grundkonzept hinter der:
Hausbibliothek
Es ist eine „Shared Library“, z.B. in Mehrfamilienhäusern (Link zur Ursprungsidee in Chemnitz), zu der alle Mieter des jeweiligen Hauses beitragen. Es ist eine Sammlung von Büchern, elektronische Medien und Spielen, die die Mieterinnen des Hauses darüber teilen. Diese Sammlung entsteht und entwickelt sich nach und nach durch die Mieterinnen selbst, indem sie „sehr gute“ Bücher, Medien (z.B. DVDs) oder Spiele hinzufügen, wobei der Vermieter am Anfang eine „Grundausstattung bereitstellt. (später mehr dazu)

Die Ursprungs-Idee der Hausbibliothek
Ausgangspunkt war vor inzwischen etlichen Jahren die Überlegung: Was kann ich meinen Mietern möglichst Nachhaltiges zu Weihnachten schenken? So kam ich auf Bücher, die ich selbst gut fand. Nun wäre es recht unsinnig, für jede Wohnung das gleiche Buch zu schenken. Also verband ich es mit dem Vorschlag, die Bücher selbstorganisiert nach dem Lesen zu tauschen.
Das Tauschen funktionierte auf diese Weise nicht optimal. So war die nächste Stufe ein erstes Regal auf dem Dachboden, quasi als externer Tauschplatz. Das ging schon „etwas“. Allerdings nahmen auch hier die Bücher kontinuierlich ab … und noch schlimmer, ich hatte keine Ahnung, welche der wirklich guten und wertvollen Bücher (aus meiner Sicht) noch im Umlauf waren, so dass ein Nachkaufen nicht zielgerichtet möglich war.
Das trug ich im Hinterkopf, als die Lösungs-Idee bei einer Versteigerung auf dem OER-Camp in Berlin auftauchte:

Keiner der anderen Teilnehmerinnen konnte mit dem sehr großen „OER-Camp“-Aufsteller etwas anfangen und er drohte übrig zu bleiben und evtl. entsorgt zu werden, als mir zwei Ideen kamen: „Bücherregal“, zu dem sich der Aufsteller wahrscheinlich umbauen ließ und „Shared Library“ (offene geteilte Bibliothek), zu der alle Mieter beitragen. Glück war ebenfalls, dass ich mit dem Kombi (privater PKW, Diesel ;-)) in Berlin war und dass ich diesmal auf der Rückfahrt keine Mitfahrer hatte, so dass auch ein Transport möglich war.
Das physische Ergebnis (der Hausbibliothek) ist auf den Bildern dieses Beitrags zu sehen:

Wie wird die Hausbibliothek toll?
Der heutigen „Hausbibliothek“ liegen weitere Überlegungen/Annahmen zugrunde:
- Die großartigsten Bücher der Weltliteratur, die „Jede“ gelesen haben sollte, sind eine überschaubare Zahl. Die meisten Menschen kennen etliche Werke davon noch nicht (finden also auch neues). => Werden in der Hausbibliothek nur Werke gesammelt, die die Bewohner nachhaltig beeinflusst und geprägt haben, dann reicht ein überschaubarer Platz (frei geschätzt ca. 200 Bücher). Ob es bei Filmen genauso überschaubar bleibt, ist unklarer. Aber durch die neuen Online-Dienste (Streaming) bleibt die Sammlung an DVDs+ Blue Rays wahrscheinlich überschaubar. Ähnliches sollte für Gesellschaftsspiele gelten.
- Wenn alle nur die Werke teilen/tauschen, welche sie wirklich toll finden, ist es auch eine Sammlung vom Empfehlungen, insbesondere für Bewohner, die nicht so genau wissen, welches Buch/Werk/Spiel sich lohnt (wirklich toll ist).
- Wenn alle Bewohnerinnen mitmachen, sind es nicht nur Empfehlungen von mir als Vermieter (Einzelmeinung), sondern die Gemeinschaftsmeinung aller Mieter.
- Ein Haus ist eine Einheit, in der die Anzahl der Bewohnerinnen (Gruppe) noch überschaubar ist, so dass es „Ihre Bibliothek“ ist, und nicht die einer „anonymen Masse“, also besser gepflegt und geachtet wird (wahrscheinlich auch weniger „mitgenommen/gestohlen).
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sich Mieter unterschiedlicher Wohnungen bereits gemeinsam Filme angesehen haben, was ich als positiv für das Klima im Haus ansehe. Deshalb ist dann auch eine kleine Sitzecke dazugekommen (Tisch und zwei Klappstühle „second hand“).

Aus den Ideen und auch den Erfahrungen der ersten Jahren sind einige Regeln entstanden, die auch ganz ordentlich funktionieren und die auf einem (laminierten) A4-Blatt am Regal befestigt sind (siehe Bild oben).
Unterschied zu Bücherbox, Bücherschrank, Büchertelefonzelle und Bücherbus
In „Bücherboxen“ (egal ob in umfunktionierten alten Telefonzellen oder kleinen Räumen oder offentlich zugänglichen Metallschränken) werden Bücher 1:1 weitergegeben. Wenn sie dort jemend mitnimmt, sind sie erst einmal weg. Außerdem stehen darin oft hauptsächlich „mittelprächtige“ Bücher. Für Menschen die keine „Leseexperten“ sind, ist es hier fast unmöglich, gute von schlechten Büchern zu unterscheiden. Durch die qualitativ hochwerteige Auswahl und dem immer wieder zurückstellen (fester Bestand) unterscheidet sich hier die Hausbibliothek deutlich. Außerdem bleibt sie langfristig „ordentlicher“, da es die „eigene Bibliothek“ einer kleineren Gemeinschaft ist. Bücherbusse sind teuer (Personal, Buskosten, Treibstoffkosten) und nicht jederzeit (spontan) nutzbar. Die „Hausbibliothek“ kosten den Haushalt der Kommune keinen einzigen Euro und nimmt keinen öffentlichen Raum in Anspruch.
Zur „Hausbibliothek“ gibt es eine kurze Einführung als Video aus dem „24 gute Taten“-Weihnachtskalender (Dauer: 1:39 min):
Nachmacher/Mitmacher gesucht:
Sinn dieses Beitrags ist, Nachmacherinnen in anderen Häusern (in Chemnitz uns anderen Regionen) zu finden, entweder selbstorganisiert durch die Mieter, oder initiiert von den Vermieterinnen. So wäre es schön, wenn die Idee in die Breite getragen wird.
Zum Einen bin ich überzeugt davon, dass dies Chemnitz noch lebenswerter macht (einer der vielen kleinen möglichen Schritte), dass es zum Zweiten nicht viel kostet und sich Drittens eine kleine Ecke dafür in den meisten Häusern findet. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Starthilfe für Nachmacherinnen und Mitmacher:
Ihr müsst als Vermieter oder auch Mieterinnen die Bücher/Medien nicht neu kaufen. Es gibt tolle „zweite Hand“ Händler im Netz, bei denen auch Hardcover-Bücher (oder andere Medien) für wenige Euro erhältlich sind. Eine kleine Start-Sammlung zu Beginn macht Sinn, ehe die Anzahl durch Medien der Bewohnerinnen steigt. Empfehlenswert für die ERstausstattung sind „Gebrauchtplattformen“, z.B. „rebuy.de„, „medimops.de“ u.a. Dort kann man sehr gut und gezielt nach gebrauchten Büchern (in sehr guter Qualität suchen) und oft auf einmal eine ganze „Wunschliste“ kaufen (einmalige Versandkosten) und dann z.B. der „Mietergemeinschaft“ im Haus zu Weihnachten schenken.
Hier ist die Liste der Bücher, die ich (als Vermieter) in den letzten Jahren zur Hausbibliothek beigesteuert habe. Das ist quasi die „Startsammlung“ von mir, die aber inzischen auf weit mehr als das Doppelte durch die Mieterinnen angewachsen ist:
- Bücherliste als PDF-Dokument, zum Nachlesen und ggf. inspirieren lassen.
- Bücherliste als Tabelle (Excel), um die Sammlung einfach selbst fortführen und ändern zu können.
Seltsamerweise musste ich folgende zwei Bücher schon mehrmals nachkaufen: Salman Rushdie „Die satanischen Verse“ und Betty Mahmoody „Nicht ohne meine Tochter„. Wer eine Vermutung hat, warum, kann mir diese gerne zusenden (Email).
… und hier noch die „Regeln“ als Vorlage für ggf. Eure eigenen Regeln:
- Regeln als PDF-Dokument, zum inspirieren lassen
- Regeln als Word-Dokument, zum fortschreiben.
Bitte beachtet, die fortschreibbaren Dokumentformate (Word, Excel) sind etwas gefährdeter für Viren, Trojaner etc.
Wägt das Risiko bitte für Euch selbst ab.
Mich würde interessieren, ob die Idee Nachmacher findet. Schön wäre es eine kurze Rückmeldung (Kontakt) zu bekommen, wenn es jemand nachgemacht hat, aber auch, wenn jemand darüber berichtet.
In der Hoffnung auf viele Mitmacher
Dirk Liesch
| Hausbibliothek, Info-Schild zum Download |
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6x6cm:hausbibliothek_6x6.pdf 8x8cm: hausbibliothek_8x8.pdf |
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